Schulalltag in Guaman - immer anders als geplant
6:00 Uhr: Der Wecker
klingelt und wir drücken verschlafen noch einmal auf die Schlummertaste.
6:05 Uhr: Der Wecker
klingelt ein zweites Mal, wir klettern aus unseren Moskitonetzen und begeben
uns ins Wohnzimmer, um zu frühstücken. Statt Nutellabrot und Kaffee gibt es für
uns Bananen, Weißbrot und Ingwertee mit Zitrone.
7:15 Uhr: Nachdem wir uns für die Schule fertig gemacht haben, schwingen wir uns noch ziemlich müde auf die beiden Fahrräder. Unser etwa 45-minütiger Schulweg führt uns durch zwei Polizeikontrollen, einige Schlaglöcher und das Dorf Attakrom, in dem wir stets freundlich begrüßt werden und auch selbst kaum aus dem Winken rauskommen.
8:00 Uhr: Leicht
verschwitzt kommen wir an der Junior Highschool in Guaman an, wo gerade die
morgendliche Assembly startet. Dabei stehen die Schüler nach ihren Klassen
geordnet auf dem Platz neben dem Schulgebäude. Es werden einige Lieder, wie
z.B. die ghanaische Nationalhymne, gesungen, gemeinsame Gebete gesprochen und
ein Lehrer spricht aktuelle Themen an. Abschließend marschieren alle Schüler in
ihre Klassen und der Unterricht kann beginnen.
Mittlerweile unterrichten
wir (Sarah und Leonie) schon zwei Monate an der JHS und möchten deshalb einen
kleinen Einblick in unseren Schulalltag geben. Wir haben uns entschieden einen
„normalen“ Dienstag zu beschreiben, da wir an diesem Tag alle unsere Schüler
unterrichten. Zunächst sollte jedoch das ghanaische Schulsystem kurz erklärt
werden, damit die Hintergründe klar werden.
Die Schulbildung beginnt
in der sogenannten „Nursery“, die mit dem deutschen Kindergarten verglichen
werden kann. Die Kinder sind zwischen drei und sechs Jahren alt und lernen
spielerisch in Kleingruppen die Buchstaben oder Zahlen kennen. Anschließend
kommen sie auf die ‘primary school‘, die, anders als in Deutschland, sechs
Jahre dauert. Bei uns in Guaman liegt sie direkt neben dem Gebäude der JHS. Neben
Mathe und Englisch werden hier z.B. ‘General Science‘ und ‘Social Studies‘
unterrichtet. Mit etwa zwölf Jahren kommt man an die Junior Highschool, die
drei Jahre dauert. Hier unterscheidet man zwischen Form 1, Form 2 und Form 3.
Hier wird das Schuljahr in drei Terms eingeteilt, an deren Ende jeweils
Klausuren anstehen. Schafft man eine Klasse nicht, so muss diese wiederholt
werden, was von den Lehrern und dem Schulleiter entschieden wird.
Am Ende der Form 3 stehen
die sogenannten ‘final exams‘ an, für die die Schüler einen Betrag von etwa 2€
zahlen müssen. Prinzipiell ist die Schulbildung inklusive der JHS - bis auf die
Kosten für Schuluniformen oder Bücher - kostenlos und der aktuelle Präsident
Nana Addo Dankwa Akufo-Addo hat versprochen auch die Senior Highschool für alle
frei zugänglich zu machen. Allerdings treten dabei einige infrastrukturelle
Probleme auf, da die Senior Highschool oft ein Internat ist und die Kapazitäten
nicht für so viele Schüler reichen. Ein Lehrer an unserer Schule hat uns erzählt,
dass der aktuelle Jahrgang in Jasikan aufgeteilt werden musste, damit alle
Schüler in diesem Jahr unterrichtet werden können. Bisher war die SHS außerdem nicht
verpflichtend und so haben manche Schüler ihre Schullaufbahn nach der JHS abgebrochen.
Seit diesem Schuljahr jedoch gibt es eine weitere Neuerung. Nach den ‘final
exams‘ an der JHS gibt es kein offizielles Zertifikat (Basic Education
Certificate Examination) mehr, sodass man erst nach der SHS sein endgültiges
Zeugnis in der Hand hält. Prinzipiell ist die Senior Highschool also weiterhin
freiwillig, allerdings werden durch diese Veränderung SchülerInnen, die
Schwierigkeiten beim Lernen haben, dazu „gezwungen“ weiterhin zur Schule zu
gehen. Unser Mentor hat diese Veränderung kritisiert, da diese SchülerInenn dadurch
eventuell drei Jahre „verschwenden“, weil sie den Abschluss vermutlich nicht
schaffen und ohnehin eine Art Ausbildung beginnen.
Nach den drei Jahren an
der SHS erhält man bei erfolgreichem Abschluss das Secondary Certificate
Examination, das den Schülern als Zugangsberechtigung für die weitere
Schulbildung dient. Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, wie es weitergehen
kann. Einige entscheiden sich für die Universität. Diese ist allerdings
kostenpflichtig und so müssen manche Schüler, die es sich nicht direkt leisten
können, zunächst Geld dazu verdienen – beispielsweise als Motofahrer. Desweiteren
gibt es technische Bildungsinstitute (Polytechnik-Schulen), die vor allem
praktische Studiengänge beinhalten und einer Fachhochschule ähneln, oder das
sogenannte ‘Trainee College‘, auf das man geht, wenn man Lehrer werden möchte.
Nun aber zurück zu
unserem Alltag:
Von 8:15 bis 9:25 Uhr
unterrichten wir zwei Schüler zunächst in Mathe, die eigentlich die letzte
Klasse der Grundschule wiederholen sollten. Allerdings hat der Schulleiter den
Wechsel auf die JHS doch erlaubt, da sie in unserer Klasse Unterstützung
bekommen können. Um den beiden individuell besser helfen zu können,
unterrichten wir sie einzeln und legen unseren Schwerpunkt momentan auf die
Grundlagen der Mathematik, z.B. schriftliche Multiplikation und Division, das
1x1 und Bruchrechnung. Wenn die Konzentration nachlässt versuchen wir mit ihnen
spielerisch das Kopfrechnen zu verbessern.
Nach diesen Stunden
wechseln wir von Mathe zu Englisch und unterstützen sie bis zur ersten Pause um
10:35 Uhr. In diesem Fach haben sie größere Defizite, insbesondere beim Lesen
und Schreiben. Anfangs haben wir mit ihnen die Laute der Buchstaben und
bestimmte Buchstabenkombinationen geübt. Mittlerweile beginnen wir einfache
Geschichten zu lesen, kurze Texte zu schreiben und zwischendurch bringen wir
ihnen etwas Grammatik bei. Auch hier lockern wir den Unterricht durch
verschiedene Lernspiele, wie ein Laufdiktat oder ein Vokabelbattle auf.
Die anschließende Pause
dauert 25 Minuten und wir verbringen sie gemeinsam mit den Lehrern im Schatten
eines Mangobaumes. Ab und zu kaufen wir auch eine Kleinigkeit am Essenstand.
Hier haben die Schüler die Möglichkeit eine warme Mahlzeit, Bananen, Eis oder
Backwaren zu kaufen. Um 11:00 Uhr beginnt unsere Englischstunde mit zwei
Schülerinnen aus der Form 1. Sie haben diese Klasse bereits einmal wiederholen
müssen, da auch sie Probleme in Englisch, insbesondere beim Leseverstehen,
haben. Zu Beginn des Schuljahres haben wir die beiden auch in Mathe
unterrichtet, allerdings wurde uns schnell klar, dass sie darin weitaus weniger
Schwierigkeiten haben und sie in den regulären Unterricht zurück können.
Dennoch können sie uns auch hier bei Hausaufgaben oder anderen Fragen hinzuziehen.
Im Vordergrund bei den beiden Schülerinnen steht aber auf jeden Fall Englisch
und wir versuchen neben der Erweiterung ihres Wortschatzes vor allem das
eigenständige Lesen zu fördern. Auch einige grammatikalische Grundlagen stehen
auf unserem Plan für die nächste Zeit.
Bis 14 Uhr unterrichten
wir mit einer 15-minütigen Pause eine Schülerin aus der Form 2. Sie ist erst
seit diesem Schuljahr auf der JHS in Guaman und wurde aufgrund ihrer Probleme
in Mathe und Englisch zu uns geschickt. Schnell haben wir gemerkt, dass sie
insbesondere in Englisch wirklich große Schwierigkeiten hat und mittlerweile
vermuten wir, dass sie eine Lernschwäche hat. Sie ist nicht in der Lage einen
Text zu schreiben und beim Lesen erkennt sie bloß einige Wörter wieder, sodass es
schwierig ist sie in diesem Fach zu unterstützen. In Mathe hatte sie anfangs
ebenfalls große Verständnisprobleme, allerdings verbessert sie sich hier
stetig. Die schriftliche Multiplikation und Subtraktion klappen immer besser
und sie merkt ihre Fortschritte selbst. Wir hoffen, dass wir ihr in Mathe
weiter helfen können und vielleicht auch in Englisch kleine Erfolge erzielen
können.
Sobald die Klingel ertönt
wird zum ‘closing‘ aufgerufen und die Schüler stellen sich wieder der Klasse
nach auf. Manchmal gibt es ein Lob von einem Lehrer oder eine Erinnerung, dass
noch etwas für den nächsten Tag zu erledigen ist. Anschließend beginnt unsere
„Spiele- und Sport-AG“, die bis 15 Uhr dauert. Wir bringen ein paar Bälle und
Spiele mit und lassen die Kinder ihre Zeit frei gestalten. Oft werden wir dazu
aufgefordert mitzuspielen oder sie beim Seilchenspringen anzufeuern. Auch die
Grundschüler schauen oft bei uns vorbei und spielen mit. Nach und nach machen
sich die Schüler auf den Weg nach Hause und auch wir sammeln die Sachen wieder
ein und machen uns auf den Rückweg.
Danach gibt es für uns
Essen, wir planen den Unterricht für den nächsten Tag, gehen joggen, lesen oder
beschäftigen uns anderweitig. Montags und donnerstags haben wir von 14:15 bis
15:15 Uhr die „Bücherei-Stunde“ in Attakrom, wozu es allerdings noch einen
eigenen Blogartikel geben wird. Mittwochs findet in der ersten Stunde noch das
sogenannte ‘Worship‘ statt. Es ersetzt eine Schulstunde und die Schüler
versammeln sich im Klassenraum der Form 2. Dabei werden Lieder gesungen,
getanzt, Geld eingesammelt und ein Lehrer spricht bestimmte Themen an. So wurde
beispielsweise über ‘self control‘ oder ‘being humble‘ gesprochen. Hierbei
haben einige Schüler feste Aufgaben. So gibt es drei Mädchen, die durch die
Stunde leiten und die Lieder anstimmen. Ein Junge spricht das wöchentliche
Gebet und sammelt das Geld ein. Generell ist es ein fester Bestandteil der
Schule, dass die Schüler viel Verantwortung übernehmen und bestimmte Aufgaben
haben. Darüber haben unsere Vorgänger einen schönen Artikel geschrieben, den
wir hier empfehlen möchten: www.fsj-ghana1718.blogspot.com/2018/03/verantwortung-der-schuler
Wie bereits erwähnt,
planen wir den Unterricht stets im Vorhinein, allerdings haben wir schnell
gemerkt, dass der Tag jedes Mal anders aussieht. Das liegt oftmals an der
Einstellung der Schüler, da diese sich zum Teil mitten in der Pubertät
befinden. So haben wir ab und zu mit mangelnder Motivation zu kämpfen oder
hören Ausreden, warum man die Hausaufgaben denn nicht machen konnte. Wir sind
also mitten im Lehreralltag angekommen und erinnern uns oft an unsere eigene
Schulzeit – nur jetzt andersherum. Wir wenden ein Belohnungssystem an, dass
diesem Problem entgegenwirkt und auch
wirklich gut funktioniert. Bei jeder gemachten Hausaufgabe oder gut
geschriebenem Test gibt es einen Stern und bei zehn Sternen eine kleine
Süßigkeit. Benimmt sich ein Schüler daneben, so drohen wir das Streichen von
Sternen an. Besonders der Wettbewerb zwischen den Schüler spornt sie immer
wieder an und der Unterricht läuft immer besser.
Insgesamt hat es einige
Zeit gedauert, bis wir uns an den Schulalltag gewöhnt haben, aber mittlerweile
funktioniert alles wesentlich besser und wir sind schon gespannt auf die ersten
Klausuren, die Mitte Dezember anstehen.
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