Schritt für Schritt - Begegnung mit Kojo
Das erste Mal treffen wir auf Kojo, als
wir mit Joseph in unserer zweiten Woche in Ghana einen kleinen Spaziergang
durch Nsuta machen, um das Dorf kennenzulernen. Zwischen zwei Krücken sitzt er
leicht zusammengesunken auf einer Bank vor einem kleinen Haus und hebt den Kopf
als wir zu ihm kamen. Schnell sind einige Plastikstühle herbeigeholt und wir
sitzen mit ihm und seiner Mutter zusammen. Da Kojo nur wenig spricht und vor
allem kein Englisch beherrscht, erzählt Joseph uns von ihm. Kojo ist 15 Jahre
alt und lebt mit seiner Mutter, zwei Geschwistern und seiner Tante zusammen, seit
sein Vater vor knapp einem Jahr gestorben ist. Da er nur kurze Strecken gehen
kann und nicht selbstständig ist, ist er bisher noch nie zur Schule gegangen. Seine
Mutter arbeitet auf einer Farm und verkauft einen Teil der Ernte. Ob das genug
Geld einbringt? „Sie beschweren sich nicht viel“, antwortet Joseph. Während er
dann die Mutter nach Kojos Wohl fragt, zeigt diese plötzlich auf einen Jungen,
der vorbeiläuft. Auch er ist 15 Jahre alt. Der Vergleich bedarf nicht vieler
Worte. Zwischen diesen beiden Jungen liegen Welten. Ein Problem sei, dass seine
Krücken nach zwei Jahren inzwischen zu kurz für ihn sind, erklärt Joseph.
Aus diesem Grund macht er sich knapp zwei
Wochen später mit Kojo und seiner Mutter auf den Weg nach Jasikan – begleitet
von Eva und Lea. Den Weg zum Auto bewältigt Kojo langsam, aber zielstrebig. Auf
der Fahrt wirkt er aufgeweckter, ja fast schon etwas aufgeregt, während seine
Mutter ein Taschentuch herausholt und sich über die Augen wischt. Das Ziel
erscheint uns auf den ersten Blick wie ein Schrottplatz. Einige alte, mehr oder
weniger kaputte Autos, eine kleine Bretterbude und mehrere Männer mit Latzhose
und verschmierten Händen. Kojo setzt sich und gibt seine Krücken ab. Das
Auseinanderbauen ist schnell geschafft, doch die unteren Stangen auseinander zu
ziehen scheint zum Problem zu werden. Festklemmen und jede Menge Öl können
nicht helfen. Also wird gesägt, gehämmert und der Gasbrenner wird rausgeholt –
aber kein Erfolg. Sollte das Vorhaben schon so schnell wieder scheitern? Die
Krücken wandern von Mann zu Mann, aber es hilft nichts. Während wir schon
langsam die Hoffnung aufgeben, werkeln die Männer gelassen weiter. Es muss eine
Alternative her. Verschiedene Rohre werden angesägt, getestet und schließlich
fällt die Entscheidung auf Teile eines alten, leicht verrosteten Bettgestells.
Inzwischen sind schon fast zwei Stunden vergangen, doch Eile scheint hier nicht
geboten. Wird sich das Warten lohnen? Es geht weiter: zersägen, abmessen,
verlöten, bohren, schrauben und tatsächlich ist die erste Krücke geschafft. Nun
geht es voran und bald hält Kojo zwei längere Krücken in der Hand. Noch einmal
wird die Länge angepasst und Kojo testet sie. Gespannt stehen wir um ihn herum
und Kojo geht los. Die neue Länge scheint ungewohnt: er braucht Zeit, einen Fuß
vor den anderen zu setzen, aber es geht nun zum ersten Mal mit aufrechtem
Rücken. Das lange Warten hat sich gelohnt! Und es kommt noch besser… Ein Mann
verschwindet mit den Krücken hinter einem Auto. Was macht er denn nun noch? Mal
wieder warten wir, da kommt er zurück und die Krücken sind nicht wiederzuerkennen.
Etwas silberner Lack hat dem verrosteten Rohr solch einen Glanz verliehen, dass
die Krücken aussehen wie neu gekauft. Wer hätte gedacht, dass auf diesem
Hinterhof solch ein Wunder passieren kann? Kojos Lächeln hat das mehr als
dreistündige Zweifeln und Warten mehr als wettgemacht! Natürlich sind damit
nicht alle Probleme gelöst, aber ein wichtiger Schritt ist im wahrsten Sinne
des Wortes getan.
Als Eva und Lea einige Tage später zur
Schule an Kojos Haus vorbeilaufen und grüßen, winkt auch die Großmutter und
ruft: „Thank you for last Friday! God bless you!“
Kojo mit seinen neuen Krücken |
Konntet ihr in Erfahrung bringen, warum er auf die Krücken angewiesen ist? Er scheint die Beine ja zumindest zur Unterstützung nutzen zu können.
AntwortenLöschenJa Wahnsinn - wenn man die Entstehungsgeschichte nicht kennt, würde man glauben, die Krücken sind aus einer Orthopädie-Fachwerkstatt...
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